Die wahre Körpermitte liegt – wie Leonardo da Vinci schon wusste – im Bauch.


Der richtige Sitz …

 

Unter Beachtung der Erkenntnisse aus den Tensegrity-Modellen und der Biomechanik von Pferd und Reiter muss sich ein Reitersitz ergeben, der im Gleichmaß von Spannung und Lösung aus der Mitte des Reiters in die Mitte des Pferdes Kräfte/Energien überträgt, ohne den Schwerpunkt, das Gleichgewicht und das harmonische Zusammenspiel von Knochen, Muskeln, Bändern, Faszien und Gelenken beider Partner zu stören.

 

 Diese Erkenntnisse finden beim „Reiten aus der Körpermitte“ Beachtung.

 

 In unserer westlichen Welt fällt es den meisten Menschen schwer, ihre Körpermitte zu finden.

Das subjektive Empfinden liegt häufig im Brustbereich.

 

 

In den asiatischen Kulturen hat die natürliche Haltung aus dem Bauch heraus traditionell eine größere Bedeutung.

 

In Japan wird Bauch mit „Hara“ übersetzt.

 

Sitzen wir richtig, dann sitzen wir im Hara

 

Die Bedeutung des japanischen Wortes „Hara“ umfasst allerdings nicht nur das Körperteil „Bauch“.

 

In den japanischen Künsten definiert sich hara als Mitte (naka) des Menschen und bildet ein gesamtmenschliches Kontrollzentrum in der die Zusammenführung von Geist (shin), Technik (gi) und Körper (tai) als shingitai oder sanmi ittai bezeichnet wird.

(http://www.budopedia.de/wiki/Hara)

 

Karlfried Graf Dürckheim schrieb in den 1950er Jahren über das Sitzen:

 

Wer einmal begriffen hat, dass das Feld der Übung nicht in irgendwelchen extravaganten Praktiken zu suchen ist, sondern in den Grundformen des Verhaltens, dem werden die elementarsten Weisen, da zu sein, das Stehen, Gehen und Sitzen zu Räumen nie endenden Forschens und Übens. Sie werden zu Spiegeln der eigenen Fehlhaltungen und zu Feldern der Erprobungen und Bewährung rechter Haltung. Und wer begreift, dass der Erweis für die Gültigkeit jeden Fortschritts auf dem inneren Weg das Verhalten in der Welt ist, dieses Verhalten aber nirgend anders als in der Weise erscheint, wie man im »Leibe« da ist, für den hat die Übung des rechten Stehens, Gehens und Sitzens nie ein Ende. Es ist das Feld, in dem sich in jedem Augenblick der ganze Mensch spiegelt.

 

Die Kenntnis und Beherrschung der rechten »Technik« des Sitzens, Stehens etc. gewinnt umso mehr ausschlaggebende Bedeutung, als man das Wort Technik im Sinn des Zen Meisters versteht, der da sagt: »Technik sei gleich Tao* – Tao gleich Technik« und die Weisungen zu beherzigen lernt, die die berühmte Meisterkatze zum Kämpfen gibt**.

 

Hara bedeutet also im Sitzen nicht weniger als im Stehen oder Gehen eine Kraft der zentralen inneren Führung, in der aller Eigenwille aufgelöst ist und eine Form entsteht, die nicht gemacht ist, sondern organisch aus der Zentrierung hervorwächst.

 

Was Hara als »Sitz« bedeute, und wie er zu üben ist,

versteht am

schnellsten,

"wer reiten kann".

 

Nur mit Hara entsteht jene elastische, zugleich feste wie auch gelöste Haltung, die dem Reiter bei aller Bewegtheit im Gleichgewicht hält und kraft derer er über das Pferd jene »Herrschaft ohne Gewalt« gewinnt und jenes »Tun ohne zu tun« entbindet, dem das Pferd sich willig fügt.

 

Der gute Reiter sitzt aufrecht, aber ohne Verspannung auf dem Pferd,

in Form, doch ohne Starre.

 

Er ist mit dem Pferd in einer Weise verbunden, die Ausdruck einer Einheit ist von Reiter und Pferd. Was Reiter und Pferd hier zeigen, ist Ausdruck eines Geschehens von gleichnishafter Bedeutung. Das Pferd geht auf den Reiter ein, weil er auf das Pferd eingegangen ist. Pferd und Reiter haben sich gegenseitig von Mitte zu Mitte im Gespür, und, was immer auch der Reiter will, er verwirklicht es nicht kraft seines bewussten Willens, sondern mit Kraft des Hara, die das Gewollte unwillkürlich hervorbringt.

 

»Zitat ENDE« Karlfried Graf Dürckheim »HARA« Die energetische Mitte des Menschen, (O.W.Barth Verlag)

 

*Tao heißt Wörtlich übersetzt „Weg“ bedeutet im entsprechenden Kontext „Methode“, „Prinzip“, „der rechte Weg“, Lehre oder schule – im Sinne einer Denkrichtung.

 

**Vgl. Kenran Umeji »Technik gleich Tao« in Dürckheim, »Japan und die Kultur der Stille« und »Die Geschichte von der Wunderbaren Katze« in Dürckheim »Zen und Wir«. (Beides im O.W.Barth-Verlag, Weilheim Obb.)